Rückblick

Deklinier‘ mich – Oder was Politiker über Schule wissen sollten

Die 36. Filmtage Bayerischer Schulen zum 6sten Mal zu Gast in Gerbrunn

Ob es denn schwierig sei, für gehörlose Schüler ein Musikvideo mit einer exakten Choreographie zu drehen, fragt ein Zuschauer eine junge Schülerin, die ihren Film dem Publikum vorstellt. Der Besprechungsraum ist bis zum letzten Platz besetzt, in gespannter Stille warten die Zuschauer auf die Antwort. Die Lehrerin übersetzt der jungen Frau zuerst die Frage in Gebärdensprache, dann die Antwort dem Publikum. Das sieht und hört fasziniert zu: Natürlich sei es schwierig gewesen, sagt sie. Die Musik nicht zu hören bedeutet, auf andere Zeichen achten zu müssen, auf jemanden, der den Rhythmus visuell vorgibt, auf den tanzenden Nebenmann oder die Nebenfrau, die man aber oft gar nicht sehen kann. Beim kleinsten Fehler muss die Szene neu gedreht werden. Dem Film sind diese Schwierigkeiten nicht anzumerken. Er ist mitreißend, überzeugt durch seine Ausdruckstärke und seine klare Botschaft. Vielleicht hätte sich jener Zuschauer diese Frage nie gestellt, hätte er nicht Gelegenheit gehabt, mit den Machern des Films zu sprechen.



Dem Publikum und seinen Fragen muss sich bei den Filmtagen Bayerischer Schulen jeder Film stellen, der im Wettbewerb läuft. Gezeigt werden die Filme in der Gerbrunner Mehrzweckhalle, die zu einem großen Kino umgebaut ist. Nach der Vorstellung ist jeder Zuschauer dazu eingeladen, die Filme in einer moderierten Sitzung mit der jeweiligen Filmgruppe zu besprechen, kritische Fragen zu stellen, Lob zu äußern oder sich über die technischen Tricks eines Films zu erkundigen. Zu Gast in diesem Jahr: 220 Schüler, ein Großteil übernachtet in der Gerbrunner Eichendorff-Schule. Die Klassenzimmer werden zu Schlafsälen, im Schwimmbad findet die jährliche Poolparty statt. Dieser riesige organisatorische Aufwand wird von einem engagierten Gerbrunner Kollegium, dem TVS Gerbrunn, dem Elternbeirat, dem Förderverein und vielen Helfern nun seit 6 Jahren gestemmt. Aber dass man für diese Arbeit belohnt wird, darin sind sich alle einig. Denn das Festival gibt jungen Menschen Raum, sich mit den Themen filmisch zu beschäftigen, die sie bewegen: „V wie freundlich“ zeigt, wie ein autistischer Junge die Welt wahrnehmen könnte, „Was Politiker über Schule wissen sollten“ ist ein Film aus rasant aneinander geschnittenen Bildsequenzen und einem originellen Text über die Mitgestaltung von Schule, „Immer Ärger mit den Carltons“ verzichtet vollkommen auf Requisiten und erzeugt die Welt eines Westernsalons ausschließlich gestisch und mit eigens aufgenommenen Geräuschen. Die jungen Filmemacher scheuen sich nicht vor schwierigen Themen: Tierschutz, Mobbing oder gar das Thema Tod werden in den Filmen behandelt. Aber auch Liebeskomödien und Animationsfilme, aufwendig in Stop-Motion-Technik aufgenommen, sind bei den Filmtagen zu sehen. Da kann ein kurzer Film schon mal 5000 fotografierte Bilder umfassen. Und Teamarbeit? Ohne sie sind aufwendige Filme meist nicht möglich. Manchmal wird die Filmmusik selbst komponiert und eingespielt, Kulissen gebaut oder Wochen mit dem Schnitt des Films verbracht. Wer die Filmtage Bayerischer Schulen besucht, bekommt einen Eindruck, warum das Filmemachen für Schüler so wichtig ist. Ein Thema muss durchdrungen und erfasst werden. Das ist ein Aspekt medienpädagogischen Arbeitens mit dem Medium Film. „Wer weiß, wie Filme, Fernsehsendungen oder Clips gemacht werden, weil er das in der Schule ausprobiert, kennt die filmsprachlichen Mechanismen und kann aufmerksamer und kritischer mit der Bilderflut umgehen, kann offene oder verborgene Botschaften erkennen und seine eigene Haltung bewahren“, erklärt Festivalleiter Thomas Schulz. Und natürlich wären diese Filme nicht möglich, wenn nicht im Hintergrund engagierte Lehrer ihren Schülern das nötige Handwerk beibringen und sie in filmische Techniken einweisen würden. Die Filmtage bieten darüber hinaus Fortbildungsmöglichkeiten: Am Samstagnachmittag gibt es Workshops von Professionellen aus dem Bereich Film., beispielsweise kann man lernen, wie man ein sog. Storyboard anfertigt, gute Drehbuchanfänge schreibt, sich vor der Kamera bewegt oder Trickfilme aus Knetmasse animiert. Für jede Jahrgangstufe ist etwas dabei, schließlich sind auf dem Festival von Grundschülern bis Abiturienten oder Berufsschülern alle Jahrgangstufen und Schularten vertreten.



Und dann ist auch schon Sonntagmorgen. Die Jury vergibt während der Preisverleihung 13 Förderpreise. Zahlreiche Sponsoren ermöglichen es jedes Jahr, dass das Festival diese Preise vergeben kann, und auch das Publikum darf seinen Liebling wählen: „Deklinier‘ mich“ heißt hier der Sieger in diesem Jahr. Auch das Musikvideo „The Wall“ der Schüler mit Hörschädigung hat die Jury überzeugt. Zum Abschluss verkündet der Festivalleiter den Termin für die Filmtage vom 10.-12.10.2014:Denn nach den Filmtagen ist vor den Filmtagen.

//Katharina Schulz/


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